Wie die Helden aus einem Actionfilm stehen sie da: zwei Jungen in der Ukraine auf einem Bild, das die Süddeutsche Zeitung am 10.07.2025 unter den Bildern des Tages zeigt. Es regt zum Nachdenken an. – Ein Kommentar
Eigentlich ist es völlig normal, wenn Kinder mit Spielzeugwaffen spielen. Manche regen sich darüber zwar auf, denn schließlich ist es falsch, den Kindern für so blutige Taten Beispiele zu geben. Aber die Tatsache, dass Kinder auch im Mittelalter Kämpfe spielten, ist der eindeutige Beweis dafür, dass solche Spiele in der Gesellschaft schon lange wenigstens akzeptiert, wenn nicht sogar gefördert wurden und werden. Aber es kann sich alles schnell ändern, wenn die grausame Realität so nah an das Spiel heranrückt.
Um die beiden herum ist Krieg. Vielleicht kämpfen ihre Väter, ihre Onkel an der sich nur langsam verändernden Front? Vielleicht sind sie tot? Sie selbst erleben ständig die Angriffe. Das Bild stammt aus Kalynowe im Osten der Ukraine.
Vielleicht ist es ganz anders als man denkt, wenn man nur die Bilder des Krieges im Kopf hat? Vielleicht spielen sie James Bond und retten die Welt gerade vor einem exzentrischen Superschurken, wie andere Kinder auch?
Aber was ist, wenn sie spielen, dass sie gegen die Russen kämpfen?
Ich will es nicht verurteilen, dass man die, die Aufstehen und ihr Land, ihre Freiheit und die Demokratie verteidigen, als Helden sieht.
Was ist aber, wenn die Kinder aufhören , die Verteidigung gegen die russische Invasion als ihr Ziel zu sehen und stattdessen Russland als Ganzes und alle Russen eher als Monster statt Menschen betrachten und tief zu verachten beginnen? Es sind schließlich Russen, die ihnen schon so viel gekostet haben. Was geschieht, wenn aus Angst und Verachtung andauernder Hass wird? Bleibt ein Hass von Kindheit an womöglich ein ganzes Leben?
Auch wenn vor allem der voreingenommene Hass gegen ganze Gruppen ein Gefühl sein sollte, das der menschlichen Vernunft widerspricht, lässt sich auch hier, so weit weg vom Kriegsschauplatz, ein Hauch davon spüren. Man denkt da vielleicht an den Nachbarn, der beschlossen hat, nie wieder mit einem Russen zu sprechen „weil die ja alle vollkommen bescheuert sind“ oder an einen russischen Jungen im Fußballverein, der abgestempelt als „Russenschwein“ (einer der weniger schlimmen Namen), von den Mitspielern ausgeschlossen wird.
Das ist ein Punkt, in dem wir alle Schadensbegrenzung betreiben können. Denn auch wenn der russische Angriff auf die Ukraine ein Verbrechen ist, hat nicht jeder, der zufällig als Russe geboren wurde, Schuld daran.
Wenn der Krieg irgendwann endet, wird es leichter sein, sich wieder an einen Tisch zu setzen und über Frieden zu sprechen, wenn die Wunden der Beleidigungen, die Vorurteile nicht zu tief sind und vor allem der Hass keine festen Wurzeln schlagen konnte.
Um das zu erreichen, müssen wir uns stets daran erinnern, und für uns ist das leichter als für viele Ukrainer, dass wir unseren Standpunkt nicht verraten, wenn wir gegen Vorurteile und Hass aufstehen.
Denn wenn man nicht – ohne zu Hassen – seinen Standpunkt vertreten kann, ist die zwingende Folge dann nicht noch mehr Hass?
Artikel: Y.L (8.Klasse)
Beitragsbild: dem in der Süddeutschen Zeitung nachempfunden