Vom Bahnhof direkt zur Kameralinse: Trainspotting

Titelbild: Ein Triebzug der Agilis Baureihe 440

Viele Hobbys werden von Außenstehenden mit hochgezogener Augenbraue beäugt. Warum stellen sich Leute an Bahngleise und warten bis ein Zug vorbei fährt, um dann nicht einmal einzusteigen. Auch wenn es kalt ist und nicht klar ist wie lange es dauert?

Noch vor ein paar Jahrzehnten, als analoge Fotografie mit dem Kaufen von Filmrollen und dem Entwickeln der Bilder teuer und ein gutes Ergebnis ungewiss war, doch auch schon im vorletzten Jahrhundert, gab es Anfänge dieses Hobbys.

Es ist dokumentiert, dass bereits 1861 einige die Nummern vorbeifahrender Züge am Bahnhof Paddington in London aufschrieben.

Dabei sieht man einige Züge öfter, besonders bei Personenzügen kann mit den Fahrplänen meist genau vorausgesagt werden, wann wo welcher Zug zu erwarten ist. Doch gerade die Seltenheit mancher Modelle, wie sie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort antreffen, ist der Reiz am Trainspotting.

Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein: Dass die Regelmäßigkeit eine Ruhe in das Beobachten bringt. Wenn der eigene Alltag stressig ist, kann es eine Abwechslung dazu sein, an einem Bahnübergang zu stehen und dem Geräusch der herunterfahrenden Schranke zu lauschen, in der Erwartung, dass gleich etwas über die Schienen rollt.

 

Trainspotting ist an sich kein eigenartiges Phänomen. Andere Hobbys dieser Art sind Birdspotting, bei dem man sich noch mehr im Einklang mit der Natur befindet und leise sein muss, um die Tiere nicht zu verschrecken während man sie fotografiert und bestimmt.

 

 

Größere Ähnlichkeiten zu Trainspotting hat das Planespotting, bei dem man sich an Flughäfen oder allgemein unter freiem Himmel aufhält um Flugzeuge möglichst gut einzufangen. Wenn sich dieses nicht bei Start und Landung befindet, und auch sonst ist ein Teleobjektiv erforderlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die meisten Menschen, die an einem Bahnhof stehen, wollen ihre Verbindung nicht verpassen und deswegen mag es erst schwierig erscheinen, Gleichgesinnte zu finden. Doch dafür gibt es Foren und soziale Netzwerke. Eine davon ist Reddit. Der größte englischsprachige Subreddit ist r/trains, es gibt auch den deutschen r/ichmagzuege, doch dieser scheint noch nicht so bekannt zu sein. Reddit funktioniert nach dem Prinzip, dass man nicht nur Nutzer, die sich für das eigene Profil abonniert haben erreicht, sondern alle, die einem Thema gefolgt sind. Ein anderes ist Instagram, welches viele Leute nutzen, um eben ein bestimmtest Profil zu verfolgen, welches z.B. Bilder nur aus München postet.

Nicht nur von den anderen Internetnutzern kann man Anerkennung bekommen, auch von den Zugführern. Ein Licht- oder Tonsignal als Gruß nennt man „Makro“, was ein Video aufwertet. Es kann als Zeigen von Akzeptanz für das Hobby gesehen werden.

Nach einer gewissen Zeit hat man schon die meisten Baureihen von Zügen, die in der Region eingesetzt werden, gesehen und fragt sich, was es jetzt noch gibt, außer weiter weg im Urlaub spotten zu gehen. Doch dann kommt er, der Zug mit einer Lokomotive, die schon so alt aussieht, als wäre sie im geteilten Deutschland schon gefahren, der Sonderzug der Eishockeymannschaft oder der ICE, der in Landshut pausiert wird und das fällt einem sofort auf: wieder ein neues Bild, was das Album, wie es ein Sticker von einem Fußballer sein könnte, ergänzt. Deswegen ist es immer wert, einen Blick auf die nächstliegende Schiene zu werfen.

 

Artikel und Fotos: MoritzM und JonasD